Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) ist für viele Betroffene ein Wendepunkt – besonders dann, wenn der Führerscheinentzug auf den Fehlgebrauch eines verschreibungspflichtigen Medikaments zurückzuführen ist. Ein Fall aus der Praxis zeigt eindrücklich, worauf es bei der Aufarbeitung ankommt und welche psychologischen Prozesse entscheidend sind.
Wenn Medikamente zur Gefahr werden
In der MPU geht es nicht nur um die Frage, ob jemand ein Medikament eingenommen hat, sondern vor allem darum, wie reflektiert und verantwortungsvoll mit der Einnahme umgegangen wurde. Besonders kritisch wird es, wenn ein Medikament die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt – etwa durch sedierende oder bewusstseinsverändernde Wirkungen.
Neben Benzodiazepinen fallen darunter auch Schlafmittel, die als Z-Substanzen oder Z-Drugs bezeichnet werden, weil ihre Wirkstoffe mit dem Buchstaben Z beginnen: Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon.
Insbesondere bei unsachgemäßer Anwendung kann die Einnahme zu problematischen Verhaltensweisen führen – darunter das sogenannte Sleep Driving.
Sleep Driving: Wenn das Bewusstsein aussetzt
Sleep Driving bezeichnet das Führen eines Fahrzeugs in einem Zustand reduzierten Bewusstseins nach der Einnahme bestimmter Schlafmittel – insbesondere Zolpidem – ohne bewusste Erinnerung an das Verhalten. Es handelt sich um eine Form von automatisiertem Verhalten, das unter Einfluss des Medikaments auftreten kann, vergleichbar mit Schlafwandeln. Die betroffene Person ist dabei nicht vollständig wach, führt jedoch komplexe Handlungen wie Autofahren aus. Betroffene berichten, dass sie sich nicht erinnern können, wie sie ins Auto gestiegen oder losgefahren sind. Die Handlung erfolgt unter Einfluss des Medikaments, oft in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachsein.
In einem dokumentierten Fall konnte die betroffene Person zunächst nicht erklären, warum der gemessene Wirkstoffwert im Blut deutlich über dem angegebenen Konsum lag. Erst durch die vertiefte Reflexion innerhalb der Verkehrstherapie wurde deutlich: Es handelte sich wahrscheinlich um eine unbewusste Überdosierung, verbunden mit einem automatisierten Fahrtantritt ohne genaue Erinnerung – ein klassisches Beispiel für Sleep Driving. Während der Autofahrt war es zu einem Unfall gekommen, bei dem neben erheblichem Sachschaden auch eine Fußgängerin leicht verletzt wurde. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert; der Schreck saß jedoch allen in den Gliedern.
Was zählt in der MPU: Einsicht und Aufarbeitung
Die MPU verlangt mehr als das bloße Absetzen eines Medikaments. Entscheidend ist die nachvollziehbare und widerspruchsfreie Deliktaufarbeitung. Dazu gehört:
- die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsummuster
- die Reflexion der persönlichen Motive und Lebensumstände
- die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – auch für unbewusste Anteile
Im genannten Fall zeigte die betroffene Person, dass sie sich intensiv mit den Ursachen ihres Medikamentengebrauchs auseinandergesetzt hatte – darunter familiäre Belastungen und emotionale Überforderung. Sie erkannte, dass das Medikament über Jahre hinweg als „schnelle Lösung“ diente, um unangenehme Gefühle zu vermeiden und Belastungen zu verdrängen.
Rückfallprophylaxe: Mehr als Medikamentenverzicht
Eine stabile Rückfallprophylaxe umfasst mehr als die Entscheidung, keine Medikamente mehr einzunehmen. Sie beinhaltete im konkreten Beispielfall:
- neue Bewältigungsstrategien für Stress und Schlafstörungen, etwa die Erarbeitung von Mental-Techniken
- offene Gespräche mit vertrauten Personen bei belastenden Gedanken und Gefühlen
- die Bereitschaft, bei Bedarf therapeutische Hilfe anzunehmen
- eine bewusste Lebensgestaltung, die emotionale Stabilität fördert
Im Fallbeispiel wurden kreative Aktivitäten, Musik und positive Gedanken als neue Ressourcen etabliert. Die betroffene Person lernte, sich zu öffnen und auch ihre Verletzlichkeiten zuzulassen – ein zentraler Schritt in der psychologischen Rehabilitation.
Fazit: Die MPU als Chance zur Neuorientierung
Die MPU ist kein Strafverfahren, sondern eine Chance zur persönlichen Entwicklung. Wer sich ehrlich und tiefgehend mit dem eigenen Verhalten auseinandersetzt, kann nicht nur die Fahreignung wiedererlangen, sondern auch neue Wege im Umgang mit Belastungen finden.
Besonders bei Medikamentenfehlgebrauch ist es wichtig, die Komplexität des Konsums zu verstehen – inklusive unbewusster Muster wie Sleep Driving. Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung und eine stabile Rückfallprophylaxe lässt sich eine positive Prognose für die Zukunft stellen.